Der BFH hat jüngst in zwei Entscheidungen festgestellt, dass die Kosten für das sogenannte Erststudium bzw. die Erstausbildung als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden können.
In unserer Beratungspraxis haben wir dies regelmässig unseren Mandanten geraten und konnten in einer Vielzahl der Fälle die Zustimmung der Finanzbehörde feststellen. Dabei handelte es sich nicht nur um den typischen Fall des Flugschülers, bei dem in der Vergangenheit schon die Anerkennung der selbstgetragenen Ausbildungskosten leicht durchsetzbar war, sondern auch um Kosten anderer Studiengänge, wie z.B. das Jura-, das BWL- oder das Medizinstudium.
Hierzu hat der Deutsche Steuerberaterrverband e.V., Berlin am 17. August 2011 eine entsprechende Pressemitteillung (PM 14/11) herausgegeben.
Die Entscheidungen des Bundesfinanzhofes haben eine längere Vorgeschichte. Früher
wurde streng unterschieden zwischen den - nur begrenzt als Sonderausgaben abziehbaren
– Ausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) und den - als Werbungskosten
abziehbaren - Fortbildungskosten. Später erkannte der BFH die Kosten für
ein im Anschluss an das Abitur durchgeführtes Hochschulstudium als vorab
entstandene Werbungskosten an (BFH, Urteil v. 20.7.2006 VI R 26/05, BStBl
II 2006, 764). Da der Gesetzgeber befürchtete, dass diese Rechtsprechung zu
erheblichen Steuerausfällen führen würde, hat er ein „Korrekturgesetz“ erlassen
(AO-ÄndG v. 21.7. 2004, BStBl I 2005, 343), mit dem er die Vorschrift des § 12
Nr. 5 EStG anfügte. Danach dürfen „Aufwendungen des Stpfl. für eine erstmalige
Berufsausbildung und für ein Erststudium“ grundsätzlich „weder bei den
einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte“ abgezogen werden.
Diese – im Schrifttum (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 30.Aufl., § 12 Rz. 56)
heftig umstrittene - Regelung war Gegenstand eines neuen Rechtsstreits, den der
BFH nunmehr zu Gunsten der Studenten und Erstauszubildenden entschieden hat.
In einem der beiden Streitfälle hatte eine Studentin (A) ihre
Schulausbildung 2004 mit dem Abitur abgeschlossen und danach bis zum
Sommersemester 2006 in Ungarn Humanmedizin studiert. Ihre Aufwendungen für das
Studium hatte sie mit ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2004 und
2005 als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht. – In dem anderen Streitfall ging es
um einen angehenden Piloten (B), dem für seine Berufsausbildung als
Verkehrsflugzeugführer im Jahr 2004 Ausbildungskosten in Höhe von 27.879 EUR
entstanden waren. Auch er machte diese Aufwendungen in seiner
Einkommensteuererklärungen für 2004 als vorweggenommene Werbungskosten geltend.
In beiden Fällen lehnten es die Finanzämter ab, die geltend gemachten
Ausbildungskosten als vorweggenommene Werbungskosten anzuerkennen und jeweils
verbleibende Verlustvorträge festzustellen. Sie begründeten dies mit dem
Hinweis auf die im Jahre 2004 in Kraft getretene Regelung des § 12 Nr. 5 EStG,
nach der Aufwendungen des Stpfl. für seine erstmalige Berufsausbildung und für
ein Erststudium grundsätzlich nicht abgezogen werden dürfen, „wenn diese nicht
im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden“.
Entscheidung des BFH:
Nach Auffassung des BFH enthält § 12 Nr. 5 EStG kein generelles
Abzugsverbot. Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung seien zwar als Sonderausgaben
nur bis zu 4.000 EUR im Jahr abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Vorrangig
komme aber der Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug zur Anwendung, falls
die Voraussetzungen hierfür vorliegen. In den Streitfällen seien die Kosten der
Ausbildung hinreichend konkret durch die spätere Berufstätigkeit von A und B
veranlasst gewesen, so dass sie als vorweggenommene Werbungskosten hätten
berücksichtigt werden müssen.
Anmerkung:
1. Auswirkungen der neuen Rechtsprechung
a) Sonderausgabenabzug
Studenten bzw. Azubis können – wie bisher - bis zu 4.000 EUR jährlich für
ihre Ausbildungsaufwendungen als Sonderausgaben abziehen (§ 10 Abs. 1
Nr. 7 EStG). Diese Abzugsmöglichkeit kann sich allerdings nur auswirken, wenn
überhaupt Einkünfte vorhanden sind, mit denen die Studienaufwendungen
verrechnet werden können.
b) Werbungskosten-
bzw. Betriebsausgabenabzug
Berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen können – wie die Streitfälle zeigen -
Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben sein. Denn Aufwendungen, die durch den
Beruf oder den Betrieb veranlasst sind, sind bereits dann abziehbar, wenn der
Stpfl. noch keine Einnahmen erzielt („vorab entstandene“ Werbungskosten oder
Betriebsausgaben). Es muss nur ein hinreichend konkreter
Veranlassungszusammenhang bestehen, der bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen
gegeben sein kann. Der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug hat gegenüber
dem Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben den Vorrang. Wie der BFH im
Einzelnen ausführt, steht § 12 Nr.5 EStG dem Abzug der Berufsbildungskosten
nicht entgegen.
Hiernach sind auch in den Streitfällen die Aufwendungen der A für ihr im
Anschluß an das Abitur absolviertes Medizinstudium sowie die Aufwendungen des B
für seine Pilotenausbildung als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar.
Falls ein Ausgleich mit positiven Einkünften nicht möglich ist, sind
entsprechende Verlustfeststellungen (§ 10d EStG) zu treffen.
c) Zeitlicher
Anwendungsbereich
Es können nunmehr – so weit nicht die Verfahrensvorschriften der AO
entgegenstehen – rückwirkend bis zum Jahre 2004 Ausbildungskosten als
Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend gemacht werden.
2. Reaktion der Finanzverwaltung?
Die Finanzverwaltung wird die neuen BFH-Urteile nicht ohne weiteres
hinnehmen. Ihre Anwendung würde ein neues Milliardenloch in der Haushaltskasse
entstehen lassen.
Denkbar ist, dass die Finanzverwaltung zunächst mit einem sog. Nichtanwendungserlass
reagiert. – Möglicherweise kommt es auch zu einem neuen „Korrekturgesetz“.
3. Handlungsempfehlungen
Stpfl., die für die Jahre ab 2004 noch nachträglich ihre
Ausbildungsaufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten geltend machen wollen,
sollten ihre Kostenbelege für Semestergebühren, Bücher, Laptop, Wohnungsmiete
am Studienort u.s.w. für diese Jahre beim FA einreichen und - gegebenenfalls –
entsprechende Verlustfeststellungen für die einzelnen Studienjahre beantragen.
Weist das FA die Anträge zurück, empfiehlt es sich Einspruch einzulegen. Es
bleibt dann abzuwarten, wie die Finanzverwaltung – möglicherweise auch der
Gesetzgeber – reagieren.
(Quelle: BFH-Urteilsservice, Redaktion haufe.de/steuern)